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Trauriges:
Der Kettenhund
Mit
seinem sanften Blick schaut er mich an,
seine Augen sind immer aufmerksam.
In diesen Augen steht vieles geschrieben,
von Angst, Einsamkeit und Hieben.
Vieles, was andere nicht versteh'n,
kann ich in seinen Augen seh'n.
Sein Kopf hängt müde herunter,
und wird wahrscheinlich nie mehr munter.
Er hat die Hoffnung längst aufgegeben,
und somit auch sein ganzes Leben.
Sein Körper ist von Narben übersäht,
denn als ich ihn entdeckte, war's schon fast zu spät.
Ohne Wasser und ohne Futter lag er im Freien,
ob es regnete, hagelte oder begann zu schneien.
Das Dasein eines armen Kettenhundes führte dieser Hund,
- Tag für Tag, Stund für Stund.
Wärme, Liebe und Geborgenheit lernte er nie kennen,
er konnte nie auf einer grünen Wiese herumrennen.
Freiheit war für ihn ein Fremdwort,
eine schwere Eisenkette band ihn immer an denselben Ort.
Glücklicherweise habe ich ihn dann entdeckt,
ganz verwahrlost und verdreckt.
Nun führt er ein gutes Leben ,
ich versuche ihm alles was er braucht, zu geben.
Einen sauberen Schlafplatz, Aufmerksamkeit und genug zu Fressen,
aber es ist klar, er kann all die Jahre nicht einfach vergessen.
Viel zu viel wurde hier von uns Menschen zerstört,
niemand hat jemals auf ihn gehört.
Viele haben ihn gesehen, waren entsetzt und fragten "WARUM"?
Aber gekümmert hätte sich niemand darum.
Alle meinten nur, "ich kann ja sowieso nichts machen",
und konnten ein paar Minuten später wieder lachen.
Ich ließ das aber nicht so auf mir ruhn,
denn ich wusste, ich KANN etwas tun !
Es kostete mich viel Mühe und Kraft,
schlussendlich habe ich es jedoch geschafft.
Natürlich habe ich mich riesig gefreut,
und es bis jetzt keine Sekunde bereut.
Leider verbringen viel zu viele Hunde ein so elendes Leben,
und noch mehr Menschen stehen tatenlos daneben.
Sie denken: Dafür gibt es schließlich den Tierschutzverein
- der kann jedoch auch nicht überall gleichzeitig sein !!
Eine wahre Geschichte der
Bullterrierhündin Linda
von Gerd Hauke
Linda war ein lieber, guter Hund. Denn
genau das hatte Herr Sörensen unzählige Male zu ihr gesagt. Das musste es
sein, was er sagte. Da war so etwas in seiner Stimme und seine Hände
glitten dabei so über Lindas
Kopf, daß sie ihre schwarzen dreieckigen Äuglein schließen musste vor
Glück. Linda hatte das richtig empfunden: Herr Sörensen sagte genau das zu
Linda oft.
Er hatte ein Geschäft für nicht ganz billige Möbel, Stoffe, Lampen und was
man sonst so zum Wohnen braucht.
Herr Sörensen hatte eine Frau gehabt, das war vor Lindas Zeit gewesen und
ist nicht wichtig für unsere Geschichte. Jetzt leben sie zu dritt in der
großen Wohnung über dem Geschäft: Sörensen senior, sein erwachsener Sohn
und Linda, die den ganzen Tag auch im Geschäft war. Wenn ein Kunde kam,
erschien Linda still und fröhlich und legte ihm ein dickes Tauende vor die
Füße. Dann gab es immer zwei Möglichkeiten: Entweder der Kunde ergriff das
Ende und Linda zog ihn am anderen Ende unaufhaltsam durch den Laden, bis
der lachend aufgab und losließ. Linda, sagten die Kunden, die das Spiel
mit ihr spielten, Linda, du bist mir zu stark. Oder aber Lindas
Aufforderung wurde einfach übersehen. Manche verstanden Linda eben nicht
oder taten so oder wollten nicht verstehen. Auch gut. Dann trollte sich
die sandfarbene Hündin mit der schönen schwarzen Zeichnung am Kopf und
wartete auf bessere Kundschaft.
Zwischendurch spielte Sörensen Junior mit Linda im Park am Ende der Straße
und an den Wochenenden fuhren sie immer woanders hin. Alle drei wanderten
gern. Na ja: Die beiden Sörensen wanderten und Linda tobte selig um sie
herum. Während der Woche wurde Linda manchmal von einer Gruppe kleiner
Mädchen und Jungen abgeholt. Dann nahm
Herr Sörensen ihr das Halsband ab und legte ihr ein Geschirr an, wie es
die Schlittenhunde tragen. Linda war dann immer schon mächtig aufgeregt,
denn die Kinder rannten mit ihr zu einem kleinen Platz, der asphaltiert
war, aber für den Autoverkehr gesperrt. Die Skateboards
klapperten und schnurrten und die Kinder ließen sich von Linda ziehen.
Fassten in den Lederbügel am Rückenteil ihres Geschirrs und ab ging die
Post, jeder einmal um die ganze Anlage, bis die Kinder nach Hause mussten,
Linda umarmten und ´bis zum nächstem Mal` riefen und `Danke Linda und `du
warst wieder echt super` und `tschüss, Herr Sörensen` - denn der war nach
Ladenschluss erschienen, um Linda abzuholen.
" Na, sagte er, Linda, du wilde Hummel, hast du dich gut amüsiert?" Und
Linda hechelte zu ihm hoch: " Ja, ja, ja, Linda hat es gut gehabt."
An irgendeinem Tag hatte es dann angefangen. Eine streng riechende Dame
hatte auf Linda gezeigt und etwas gesagt, was Herrn Sörensen Senior ein
rotes Gesicht gemacht hatte. Er sprach lauter mit der Dame als
gewöhnlich und sie rauschte hinaus, ließ nur ihre Parfümwolke zurück, für
Linda noch lange. Sörensen Senior streichelte Linda, aber ganz bei
der Sache war er nicht. " Hast du das gehört", sagte er zu seinem Sohn,
der gerade aus dem Büro kam. " Linda ist ein Kampfhund!" Und dann sagte er
noch einiges über die Dame, was Linda nicht verstand. Und dann war ohnehin
Ladenschluss und die drei gingen in die Kneipe gegenüber; Sörensens
zischten ein Bier und der Kampfhund Linda bekam, wie immer,
eine Bockwurst. Von jetzt an wurde es immer ungemütlicher. Bisher hatte
sich kein Mensch etwas dabei gedacht, dass Linda ein Bullterrier war, aber
plötzlich waren die Zeitungen voll von greulichen Geschichten über Hunde,
die Menschen
gebissen hatten und immer sollten es Hunde wie Linda gewesen sein. Oder so
ähnliche Hunde. Irgendjemand hatte dann die Sache mit den Kampfhunden
aufgebracht. Kataloge wurden aufgestellt, welche Rassen denn nun am
gefährlichsten seien und Lindas Rasse stand immer ganz oben auf den
Listen. Wenn die Sörensens versuchten, mit den aufgeregten Leuten zu
reden, war das meist nicht mehr möglich. Niemand wollte sich
davon überzeugen lassen, dass Linda keiner Fliege etwas zu leide tat.
Keiner- bis auf ein paar alte Freunde- wollte sie mehr streicheln, die
Eltern verboten ihren Kindern das Skateboard-fahren mit Linda. Es war wie
eine Krankheit, die sich immer mehr ausbreitete: Immer neue
Greuelgeschichten standen täglich in den Zeitungen, um die sich die Leute
rissen: Je mehr Kampfhundlügen, desto mehr von den Schmuddelblättern
wurden verkauft und desto ängstlicher wurden die Menschen auf den Straßen.
Die Sörensen konnten nicht alle Kunden nach Hause schicken, die sich
plötzlich vor Linda fürchteten und wenn sie Linda im Büro einschlossen,
fing sie an zu weinen und schließlich zu schreien., denn sie konnte
natürlich nicht verstehen, warum sie plötzlich eingesperrt wurde und war
ganz verstört. Also wechselten sich die Sörensens ab: Einer blieb immer
mit Linda im Büro oder in der Wohnung, der andere im Geschäft.
Es war aber nicht mehr das alte, gute Leben. Linda, die sich immer frei
bewegt hatte und mustergültig über die Straßen ging- sie achtete besser
auf die Ampeln als viele Passanten - Linda musste an die Leine genommen
werden, weil die Leute sie und Herrn Sörensen beschimpften. " Lässt den
Kampfhund hier frei herumlaufen. Ist wohl noch nicht genug passiert." Das
und Ähnliches mussten sich die Sörensen nun täglich anhören und niemand
wollte glauben, dass Linda ein lieber, guter Hund war.
Sörensen Senior regte sich dermaßen auf, dass er krank wurde. Sein Herz
schlug nicht mehr so ganz, wie es sollte, und er blieb jetzt häufiger zu
Haus. Wenn er mit ihr spielte, merkte Linda, wie ihn das anstrengte und
nahm Rücksicht. Aber Rücksichtnahme ist keine gute Vorraussetzung für
Spiele, die
Hunde mögen. Und nach und nach wurden die Sörensens und Linda immer
trauriger. Es war einfach nicht mehr möglich, mit Linda unangefochten zu
leben und sie grübelten, wie sie etwas ändern könnten, es fiel keinem
etwas Vernünftiges ein: Das Geschäft brauchten sie, um leben zu können
und zum Leben gehörte Linda.
Eines Tages dann - eines Tages ging Herr Sörensen Senior nach
Geschäftsschluss noch zum Tabakladen um die Ecke, um seinen Lottoschein ab
zu geben. Linda trottete an der Leine neben ihm her.
Der Tabakfritze, der Linda seit vielen Jahren kannte, machte eine der
üblichen Kampfhundebemerkungen, die witzig sein sollte. Sörensen war der
Humor in dieser Angelegenheit gründlich vergangen. Er machte eine scharfe
Bemerkung und verließ den Laden. " Du bleibst mein lieber guter Hund",
sagte er und beugte sich zu Linda herunter. Dabei wurde ihm schwindelig.
Er richtete sich auf, in seinen Ohren rauschte es, vor den Augen tanzten
schwarze Kreise, die immer größer
wurden. Und dann fiel Herr Sörensen mitten auf der Straße um, murmelte
noch so etwas, wie " Linda, bleib bei mir", dann lag er ganz still da.
Linda erschrak fürchterlich. Sie fiepte, leckte Sörensen Gesicht und Hände
und setzte sich ganz dicht neben ihn. Jetzt, das fühlte sie, jetzt wurde
etwas von ihr gefordert, was noch nie verlangt wurde. Jetzt lag die
Entscheidung bei ihr. Ihr lieber guter Sörensen- denn das war es, was
Linda im Herzen empfand- hatte die Verantwortung für sich der Linda
übertagen.
Als sich aus dem Kreis der Leute , der sich bei solchen Ereignis
unweigerlich bildet, zwei Männer lösten und Anstalten machten, Herrn
Sörensen anzufassen, zog Linda die Lefzen hoch und ein tiefes grollen kam
aus ihr, dem sie selbst nachlauschte, so fremd erschien er ihr.
Die Leute wichen zurück, der Ruf nach der Polizei, der Wagen mit
Polizisten, der eifrige Zeuge und Helfer und Untertan, der immer da ist: (
Herr Wachtmeister, wir wollten ja erste Hilfe leisten, aber sie sehen ja
selbst, der Kampfhund lässt keinen ran!) Ratlosigkeit; die Stimme eines
Einzelnen, der etwas von einer Betäubungsspritze sagen will, geht unter in
der düsteren Wolke von Hass, die über den Menschen um Sörensen und Linda
liegt: Da kann man es sehen, mit eigenen Augen, hier ist doch der Beweis
erbracht, Kampfhunde sind unberechenbar, das Tier hat sich bloß verstellt-
( all die Jahre!) jetzt sieht man ja - weg mit dem Köter, worauf warten
sie! Will die Polizei verantworten, das der Mann stirbt, weil der Hund
keinen an ihn ranlässt."
Dieser Hund verhält sich mustergültig, sagt einer, der jetzt erst
dazukommt, er verteidigt seinen wehrlosen Freund Mensch, lassen sie mich
mal! Er geht ruhig auf Linda zu, das Gebrüll der Leute wird zu einem
hastigen Gezischel, der Mann redet leise zu Linda, beruhigend, Linda
schaut ihm stirnrunzelnd in die Augen. " zurück" , schreit der Polizist, "
sind sie wahnsinnig"
und reißt den Mann an der Schulter beiseite. Und Linda kann das nicht
dulden. Nicht jetzt und nicht hier. Da wird Gewalt angetan einem, der
verlässlich erscheint, dem Einzigen. Linda setzt zum Sprung an, jetzt
sieht sie so aus, wie die Leute es schon immer gewusst haben. Jetzt wird
sie kämpfen,
und aus dem gleichen Grund: Um ihren Menschen zu schützen.
Der Polizist nestelt seine Dienstwaffe los. Er ist Beamter und beugt sich
dem Beschluss der Mehrheit, die von ihm erwartet, dass er jetzt ganz
langsam die Hand mit der Pistole hebt-
" Was machen sie denn da, um Gottes Willen!" Sörensen Junior bricht durch
die Menschenmauer und Linda springt ihm mit einem Schrei in Gesicht und
küsst ihn und lacht und zieht ihn am Ärmel zu Sörensen Senior; und springt
aufgeregt an den beiden Männern hoch, die endlich mit einer Trage zur
Stelle sind. " Ist ja gut, mein Kleiner" sagt der eine.
Er hat selbst einen Hund. Linda und der junge Sörensen steigen mit in den
Transporter, die Menschen gehen auseinander.
Es fehlt ihnen was an der Geschichte. Abends in den Kneipen und
Wohnzimmern wird jeder etwas anderes erzählen, und jeder wird als einziger
die Situation gerettet haben.
Sörensen Senior hatte nur einen Kreislaufkollaps, kam am selben Abend noch
nach Hause. Sörensens werden jetzt ihr Leben ändern, der Senior muss es
langsamer angehen lassen, hat der Arzt gesagt: Gute Luft, viel spazieren
gehen, möglichst wenig Ärger. " machen wir", sagt Sörensen Senior, machen
wir alles, wo ein Wille ist- und so weiter- was meinst du, mein lieber
guter Hund? Und fasst Linda mit beiden Händen um den Kopf und gibt ihr
einen Kuss mitten auf die schwarze Nase.
Die Geschichte ist wahr, weil sie so hätte ablaufen können.
Die Geschichte ist nicht wahr, weil der Polizist das ganze
Magazin seiner Pistole in Linda hineingeschossen hat.
Diese Geschichte möchte ich nicht erzählen.
Ich
vermisse Dich, mein Freund
Du, mein
Hund, bist tot und ich bin still,
weil mein Herz das einfach nicht überwinden will.
Ich vermisse Dich an jedem Tag,
das ist eine große Last, die ich in mir trag.
Ich habe über Deinen Tod schon viel geweint,
denn Du warst einfach mein Kumpel, mein Freund.
Meine Gedanken an Dich sind unermesslich,
denn Deine Art war einfach unvergesslich.
Mit Dir habe ich so viel Zeit verbracht
und des Öfteren über Deine Späße gelacht.
Ich erzählte Dir all meine Sorgen
und fühlte mich bei Dir geborgen.
Ich hatte Dir so viel zu sagen
an manchen schlechten Tagen.
Du warst für mich ein Lichtblick in dieser Welt
und nicht aufzuwiegen mit viel Geld.
Du warst mir immer sehr treu,
worüber ich mich auch heute noch freu.
Nun hast Du mich verlassen und ich bin noch hier,
ach wärst Du doch noch bei mir, mein treues Tier.
Du, mein bester Freund, bist nun für mich verloren
und stehst schon im Tierparadies vor den Toren.
Die letzten Tage hast Du sehr gelitten
und ich hörte Deine stillen Todesbitten.
Doch auch wenn der Tod letztendlich das beste für Dich war
komme ich mit Deinem Tod einfach nicht klar.
Ich habe getrauert über Deinen Verlust
und bin gefallen in einen tiefen Frust.
Ich werde Dich nie wieder toben sehen,
wie soll ich das nur jemals verstehen.
Lucky” -
(Alb-)
Traum eines Hundelebens
I.
„Lucky” lebte wie Millionen anderer Vierbeiner in einer Familie. Genauer
gesagt, früher - als er noch ein Welpe war - da war es noch eine richtige
Familie - so mit Mama, Papa und mit Tim, seinem besten Freund. Sein Freund
ist Tim auch heute noch! Wenn er doch bloß wieder mehr Zeit für ihn hätte.
Denn seit Mama und Tim alleine leben, ist nichts mehr so wie es mal war.
Mama geht schon morgens aus dem Haus, um Geld zu verdienen, wie sie sagt,
damit Tim und er auch immer etwas zu futtern haben. Tim, ja der geht
morgens auch früh weg. In die Schule. Er muss eine Menge lernen, damit er
später auch einmal viel Geld verdienen kann. Nachmittags muss er seine
Hausaufgaben machen, danach die Wohnung aufräumen und einkaufen. Abends
geht er dann zum Fußballspielen oder zu seinen Freunden. Da bleibt für
„Lucky” kaum Zeit. Einmal war Tim krank. Er war so krank, dass Mama ihn in
ein Haus brachte, wo ganz viele Kranke waren. Mama weinte und war ganz
durcheinander. Lucky ging zu ihr und leckte ihr die Hand. Aber Mama schien
es gar nicht zu bemerken. Sie murmelte vor sich hin: ”Wenn Tim morgen
operiert wird, dann bringe ich ihm noch heute das Plüschschweinchen
vorbei, welches ich gestern im Kaufhaus gesehen habe. Es soll sein
Glückschweinchen sein und ihm im Leben als Talisman viel Glück bringen”.
Lucky verstand von alledem nichts und ging traurig in sein Körbchen, weil
Mama - ohne eines Blickes ihn zu würdigen - fortging, um das Schweinchen
zu kaufen.
II.
So vergingen die Tage und „Lucky” war nun noch mehr allein. Ab und zu ging
er mal in den Garten, um zu sehen, was so auf der Straße los war. Seine
Hundefreunde kamen mit ihren Herrchen und Frauchen vorbei auf dem Weg zum
Park, wo sie früher alle gemeinsam stundenlang gespielt hatten. Ach wie
gerne wäre er mit ihnen gegangen! Und so schaute er sehnsüchtig hinter den
anderen her und kratzte aus Langeweile Löcher in den Boden. Das eine Loch,
ganz nah am Zaun war bald so groß, dass er schon ganz leicht den Kopf
unter den Latten durchstecken konnte. Von hier aus konnte er ohne Mühe die
Straße entlang bis zum Park schauen, wo er auf der Wiese seine Freunde
toben sah. Und dann, oh welches Glück kam Tim - sein Freund Tim - endlich
wieder nach Hause. Wie hatte „Lucky” sich auf diesen Moment gefreut. Tim
sah auch wieder ganz gesund aus und unterm Arm trug er sein Glückschwein.
Doch schon sehr bald bemerkte „Lucky”, dass Tim ihn gar nicht mehr
beachtete. Stundenlang saß Tim am Fenster, lächelte vor sich hin während
er hinausschaute und streichelte dabei sein Glückschein, welches er immer
mit sich herum trug. „Lucky” war verzweifelt, denn auch Mama kümmerte sich
nicht mehr um ihn, sondern nur noch um Tim. Manchmal vergaß sie sogar,
sein Futter hinzustellen. So überlegte „Lucky”, wie er es wohl anstellen
könnte, dass alles wieder so würde wie früher, wo alle ihn lieb hatten,
mit ihm spielten und schmusten. .....Und dann, dann hatte er die Idee! Tim
war doch glücklich, wenn er stundenlang zum Fenster hinaus schaute weil er
dabei lächelte. Denn wer lächelt der freut sich und wer sich freut, der
ist auch glücklich. Das wusste er ganz genau, denn wenn er früher zwischen
seinen Menschen über die Wiese tobte und dabei vor lauter Übermut mit
allen Vieren gleichzeitig hin und her hopste, dann lachten sie alle und
waren glücklich.......und er war auch glücklich, weil seine Familie es
war! Ganz einfach wäre das Problem zu lösen, dachte „Lucky”, wenn er doch
auch ein Glückschwein wäre, dann würde Tim ihn in den Arm nehmen und
streicheln. Er wäre bei seinem Freund und sie wären glücklich! Beide!
III.
Da fiel ihm ein, dass Mama im Schrank so einen alten rosé-farbenen
Pullover mit Kapuze hatte. Am nächsten Tag, als Mama gerade zum Einkaufen
gegangen war und Tim wieder einmal lächelnd zum Fenster hinausschaute,
schlich er sich in Mama´s Schlafzimmer. Zum Glück war die Schranktür nur
angelehnt, so daß es ein Leichtes für ihn war, sie aufzudrücken. Nach
kurzem Suchen fand er den Pullover. Er lag zusammengefaltet ganz unten im
Schrank. So konnte „Lucky” ihn mit spitzen Zähnen herauszuziehen. Dann
legte er ihn glatt auf den Boden und kroch auf dem Bauch an ihn heran. Mit
spitzer Schnauze hob er das Bündchen hoch und so schaffte er es
schließlich nach ein paar vergeblichen Versuchen, sich in den
rosé-farbenen Pullover hineinzurobben. Die Vorderpfoten steckte er rechts
und links in die Ärmel und schüttelte sich einmal kräftig, damit die
Kapuze auch über seinen Kopf fiel. So schaute er sich prüfend in Mama´s
Spiegel an und gefiel sich schon ganz prima. Die Ärmel waren wohl ein
wenig lang aber der Pullover reichte bis zur seinem Stummelschwanz und die
Kapuze war so groß, dass er gerade noch mit seinen Augen drunter durch
schauen konnte. Aber irgend etwas fehlte noch! ..... Ja richtig, eine
schöne rosa Schweineschnauze würde ihm gut zu Gesicht stehen. Und da fiel
es ihm auch schon ein, dass Mama gerade gestern erst so einen neuen
schönen runden Schwamm gekauft hatte. Und der war? .....richtig! Rosa! In
rasantem Tempo konnte der kleine Junge, wenn er denn gerade nicht lächelnd
mit seinem Glückschwein auf dem Schoß aus dem Fenster geschaut hätte, eine
rosa Gestalt durch den Flur ins Bad huschen sehen. „Lucky” schnappte sich
den Schwamm und knabberte mit seinen Zähnen zwei Löcher hinein. Den
Schwamm in der Schnauze huschte er wieder zurück in Mama´s Schlafzimmer,
um sich nun im Spiegel zu betrachten. Perfekt dachte er, und war
glücklich, denn er gefiel sich in seinem neuen Kostüm saumäßig gut.
IV.
Da Tim immer noch an seinem Platz saß und Mama auch noch nicht zu Hause
war, dachte sich „Lucky”, er wolle die Zeit nutzen und einen kleinen
Ausflug machen, um zu überprüfen, ob sein Kostüm tatsächlich so gut war,
dass die Leute ihn für ein Glückschwein halten würden. So verschwand er
ungesehen durch den Garten unter dem Zaun hindurch. Er wusste, wenn dieses
Experiment klappte, dann würde er ab sofort als Glückschwein immer bei
seinem Freund Tim sein können und gestreichelt werden. Bei diesem Gedanken
spürte er in sich ein unendliches Gefühl des Glücks . Was er jedoch nicht
wusste: Im ganzen Land war seit einigen Monaten in den Zeitungen, im
Fernsehen und auch im Radio immer wieder die Rede von ein paar Rosahunden,
die Menschen und auch Hunde gebissen, verletzt ja sogar getötet haben
sollten. Dazu wurden im schönsten Rosa diese Hunde in überdimensionalen
Fotos gezeigt. Die Bilder von gähnenden Hunden, bei denen man eindruckvoll
Rachen und Zähne sehen konnten wie auch die Überschriften glichen sich
landauf, landab. Es war die Rede von der rosa Gefahr und dass die Menschen
vor der dieser Rasse von Killerhunden geschützt werden müssten. Aber von
all dem ahnte „Lucky” als ganz normaler Familienhund nichts, als er
frohgemut in seinem Glückschwein-Kostüm auf die Straße trat. Er trottete
zunächst ganz gemächlich in Richtung Park, um seine Freunde zu besuchen.
V.
Es waren auch tatsächlich einige da, die ihn zunächst recht misstrauisch
betrachteten. Da „Lucky” nach Schweineart zur Begrüßung in den höchsten
Tönen quiekte, waren die anderen Vierbeiner äußerst verwirrt. Sie zogen
sich etwas zurück und beratschlagten, was sie denn davon halten sollten.
Einer meinte, das müsse wohl eine neue Schweinerasse sein: „Recht klein
und mager mit Stummel- statt Ringelschwanz, aber die Farbe stimmt und
quieken tut es auch! Vielleicht können wir mit ihm ein wenig spielen!” So
rannten die Hundefreunde auf den neuen Spielgefährten zu, um ihn zum Spaß
ein wenig vor sich herzutreiben. „Lucky”, der das Hundeknäuel auf sich
zufliegen sah, erschrak ganz fürchterlich. Vor lauter Angst überrannt zu
werden und beim Toben sein Kostüm zu verlieren, rannte er so schnell er
konnte weg, denn er wollte sein Geheimnis ja schließlich nicht verraten.
Er lief immer schneller und erleichtert konnte er nach einer Weile
feststellen, dass seine Hundefreunde in dieser Geschwindigkeit nicht
mithalten konnten und nicht mehr zu sehen waren.
VI.
Laut hechelnd saß er auf dem Bürgersteig und schaute sich um. In seiner
Eile hatte er gar nicht bemerkt, dass er in Richtung Innenstadt gelaufen
war und mit Schrecken stellte er fest, dass er er beim Rennen - weil er ja
schließlich auch mal Luft holen musste - seine schöne rosa
Schwamm-Schweine-Schnauze verloren hatte. Auch hatte er völlig die
Orientierung verloren. Hier in der Gegend war er in seinem ganzen Leben
noch nicht gewesen. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig als irgendwie
den Weg nach Hause zu finden. Vielleicht könnte er ja unterwegs mit einem
hundefreundlichen Menschen in Kontakt treten. Wenn der die Telefon-Nummer
an seinem Halsband sah, dann würde er bestimmt Zuhause anrufen und Mama
würde ihn abholen. Und plötzlich sehnte er sich ganz doll nach seiner
Familie und dem Körbchen mit seiner Decke. Auch fiel ihm ein, dass es
heute Abend noch etwas besonders Gutes zum Abend-Fresschen geben sollte.
So kam es, dass „Lucky” in seinem Glückschwein-Kostüm den Weg durch die
belebte Innenstadt nach Hause suchte. Sehr bald jedoch wunderte er sich
über das eigenartige Verhalten der Menschen.
VII.
Alle die ihm entgegen kamen, hatten Schreck geweitete Augen, ruderten
hektisch mit den Armen und rannten eiligst hinüber auf die andere
Straßenseite oder um die nächste Häuserecke. Gerade kam eine Frau mit
Kinderwagen genau auf ihn zu. Sie war mit ihrem Baby beschäftigt und hatte
ihn wohl nicht bemerkt. Aus einem Fenster über ihr schrie eine hysterische
Stimme: „Vorsicht! Schnell, schnell! Da kommt eine von diesen Bestien! Ein
Rosahund! Die junge Frau wurde leichenblass, riß ihr Baby aus dem Wagen
und verschwand mit einem Satz im nächsten Hausflur. „Lucky”, der
vertrauensvoll und freundlich - mit seinem Stummelschwanz heftig wedelnd -
auf die Frau zugelaufen war, erschrak ganz gewaltig, als die schwere
Haustür mit einem „Rumms” ihm genau vor der Nase zugeknallt wurde. Ratlos
stand er da und wusste gar nicht, was er davon halten sollte, hatte er
doch nur die Frau mit dem süßen kleinen Baby begrüßen wollen. Während er
noch so überlegte, wie er denn jetzt nach Hause kommen sollte - langsam
bekam er Hunger - kamen von hinten ein paar Jugendliche, die von der
anderen Straßenseite die Flucht der jungen Frau beobachtet hatten, langsam
herüber. Die Gesichter der Jungs schauten nicht gerade freundlich aus, als
„Lucky” sich zu ihnen umdrehte. Wenn nicht sein Hunger schon recht quälend
gewesen wäre, hätte er um die drei Gestalten einen Bogen gemacht, aber so
dachte er, vielleicht wissen sie, wie ich Nachhause komme oder haben
wenigstens ein Würstchen für mich.
VIII.
So ging er zwar zögernd aber freundlich wedelnd auf die Gruppe zu und
erschrak sich fast zu Tode, als ihn ganz unvermittelt ein Stein am Kopf
traf. Für einen Moment wurde ihm ganz schwindelig und als er sich eine
Sekunde später wieder aufgerappelt hatte, sah er die drei schon über sich.
Ehe er noch klar denken konnte, erhielt er von einem Knüppel einen
derartigen Schlag auf den Rücken, dass er unter dem Schmerz zusammenbrach.
Die Jugendlichen schrieen und grölten: ”Diese Rosahund-Bestien müssen
vernichtet werden. Das Volk muss vor diesen Killermaschinen geschützt
werden. Die müssen endlich vernichtet werden!” Einer aus der Gruppe, der
zufällig einen Benzinkanister bei sich trug, hatte die zündende Idee: „Hey
Leute ist es nicht schon ganz schön dunkel geworden, sollten wir die
Straße für die Leute die alle an den Fenstern stehen nicht ein bisschen
besser erleuchten?” Mit diesen Worten öffnete er den Kanister. Ein wenig
von der übel riechenden Flüssigkeit tropfte auf das Glückschwein-Kostüm
von „Lucky” der immer noch auf dem Boden lag und vor Schmerzen wimmerte.
Dieser ekelhafte Gestank ließ ihn seine letzte Kraft zusammennehmen. Mit
einem Satz stand er wieder auf seinen Pfoten und trotz seiner Schmerzen,
rannte er um sein Leben. Er rannte und rannte, als wollte er bis ans Ende
der Welt. Lange Zeit traute er sich nicht, sich umzuschauen, weil er Angst
hatte, die Jugendlichen seien noch hinter ihm. Die jedoch waren ihm gar
nicht nachgelaufen sondern hatten nur gelacht und waren frohgelaunt und
grölend wegen der geilen Abwechslung ihrer Wege gegangen. Doch so schnell
er auch lief, der widerliche Gestank haftete an ihm. Ihn wurde er einfach
nicht los, ebenso wie die Angst, die sich in seiner Hundeherzen breit
machte.
IX.
Irgendwann, es war bereits ganz dunkel geworden, kam er an einem
Spielplatz vorbei, der in Anbetracht der späten Tageszeit völlig leer war.
Er war müde, sein Rücken tat ihm so weh, dass er kaum noch laufen konnte,
und so beschloss er, sich unter dem Holzboden eines Klettergerüstes in den
weichen Sand eine Mulde zu scharren und sich dort bis zum kommenden Morgen
hinein zu legen. Trotz seines Hungers schlief er auch sofort ein. Am
nächsten Morgen wurde er durch das schrille Geschrei eines etwas
dreijährigen Mädchens jäh aus dem Schlaf gerissen. „Mama, Maaamaaa, schau
mal ein gefährlicher Rosahund ohne Maulkorb!” „Lucky” verstand die Welt
nicht mehr. Er konnte einfach nicht verstehen, warum die Leute sich so
hysterisch benahmen, denn er wollte nur eines: Einen netten Menschen
finden, der ihn zu seinem Freund Tim brachte. Aufgeschreckt durch das
Gezeter der Kleinen und durch die schlechten Erfahrungen des Vortages
beschloss „Lucky” sich vorsichtshalber ins nächste Gebüsch zurückzuziehen.
Seine Schmerzen im Rücken waren über Nacht nicht weniger geworden und so
humpelte er von dannen. In der Zwischenzeit hatte die Mutter ihr Kind in
Sicherheit gebracht und per Handy die Polizei angerufen: ”Sie müssen
sofort kommen! Auf dem Spielplatz an der Hauptstraße läuft ein agressiver
Rosahund herum. Als meine Tochter ihn fand, hat er sie gleich angegriffen.
Ich konnte mein Kind gerade noch retten. Sie müssen die Bestie sofort
erschießen, damit er nicht noch Kinder zerfleischen kann.”
X.
Ein paar Minuten später fuhren zwei Streifen- und zwei Mannschaftswagen
vor. „Lucky” konnte aus seinem Versteck beobachten, wie ganz viele grün
bekleidete Menschen aus den Autos ausstiegen. Die meisten von ihnen
hielten längliche Gegenstände hoch, die vorne ein Loch hatten. Sie hatten
sich im Halbkreis aufgestellt und kamen immer näher. Hinter dieser grünen
Front hüpfte ein Mann mit einer Fotokamera ganz aufgeregt umher. „Lucky”
kannte so etwas von den Sonntags-Ausflügen. Man hatte einen Reporter
gerufen, der sich die einmalige Chance nicht entgehen lassen wollte, der
Menschheit in Wort und Bild die Vernichtung eines gefährlichen Rosahundes
- selbstverständlich medienwirksam auf gemacht - zum nächsten Frühstück zu
servieren. Das würde die Auflagenstärke der Zeitung und auch sein Gehalt
erheblich erhöhen. „Lucky” verstand das alles nicht. Ihm war trotz seines
rosa Pullovers kalt und er wollte jetzt nur noch nach Hause. So raffte er
sich auf und trat ganz langsam aus dem Gebüsch. Im gleichen Moment hörte
man von weit hinten ein Raunen einer großen Menge Schaulustiger. „Da seht
nur, die Bestie! Auf was wartet Ihr noch, erschießt sie doch endlich,
bevor sie noch einen von uns anfallen kann!” Gleichzeitig rissen die
„Grünen” die länglichen Gegenstände hoch und man hörte das ununterbrochene
Surren des Motors der Fotokamera.
XI.
„Lucky „ war müde. Er war sooo müde und hatte plötzlich Angst vor den
Menschen. Früher waren alle freundlich zu ihm. Was war bloß geschehen? Er
war doch immer noch der gleiche! Er war doch immer noch „Lucky”! Er legte
sich mitten auf den Weg. Die Schnauze auf den Boden. Er wusste nicht, was
nun geschehen würde und wartete geduldig auf das, was da kommen sollte.
Hoffentlich würde er bald nach Hause zu Mama und Tim können. Der Kreis der
„Grünen” mit ihren komischen länglichen Gegenständen wurde immer enger.
Doch „Lucky” blieb liegen. Weglaufen hatte keinen Zweck, das erkannte er
ganz genau. Die grüne Mauer schien undurchdringlich. Schräg vor ihm jedoch
teilte sie sich plötzlich und auf ihn zu kam ein junger Mann mit einer
Stange, an deren Ende eine Schlaufe befestigt war. Der junge Mann hatte
freundliche Augen und sprach mit ruhiger Stimme zu „Lucky”: ”Komm mein
Junge, jetzt bringe ich Dich erst mal weg hier. Du frierst und hast
bestimmt auch Hunger. Deine Wunde am Kopf muss auch mal angeschaut werden.
„Lucky” war glücklich, endlich wieder einen freundlichen Menschen gefunden
zu haben und schaute dem jungen Mann vertrauensvoll entgegen. Er bewegte
sich nicht, nur sein Stummelschwanz wedelte zaghaft. Man legte ihm die
Schlinge um den Hals und zog sie an. Ohne Widerstand ging „Lucky” mit dem
jungen Mann mit. Der führte ihn an der grünen Mauer vorbei zu einem
Transporter. Die meisten der grünen Männer beobachteten diese Aktion mit
hasserfüllten Augen. Nur bei ganz wenigen bemerkte „Lucky” ein unruhiges
Flackern.
XII.
Der Hundefänger brachte ihn schließlich nach längerer Autofahrt in ein
Industriegebiet und hielt vor einer großen Halle. Hier war er noch nie
gewesen und er wusste auch nicht was er hier sollte. Dass das nicht der
Weg nach Hause war, hatte „Lucky” bereits erkannt. Aber er vertraute dem
jungen Mann, der würde ihm bestimmt bald helfen. Als er dann jedoch durch
eine Art Schleuse die Halle betrat, verschlug es ihm den Atem: „Lucky”
konnte nicht glauben, was er dort sah. In dem riesigen Raum waren auf dem
Betonboden Reihen von Käfigen montiert worden.. Einer neben dem anderen!.
Und in jedem dieser Käfige saß ein Rosahund. Wie gesagt, „Lucky” hatte von
der Kampagne gegen Rosahunde bisher nichts mitbekommen. Aber beim Anblick
dieser Menge, vor Aufregung laut bellender Rosahunde schaute er entsetzt
an sich herunter. Er hatte immer noch Mamas alten rosé-farbenenen Pullover
als Glückschwein-Kostüm an. Zwar war der nun schon etwas schmutzig und
nach Benzin stank er auch, aber rosa ist nun mal rosa, musst sich „Lucky”
eingestehen. Mit Entsetzen erkannte er, dass er wahrscheinlich niemals
mehr zu seiner Familie nach Hause kommen würde. Und in seiner Not fing er
an zu jaulen. Er jaulte und jaulte all seine Not aus seiner Hunde-Seele
hinaus. Alle Rosahunde waren plötzlich still und hörten ihm zu. Doch der
junge Mann konnte „Lucky” leider nicht verstehen. Denn sonst hätte er
„Lucky” schreien hören können:” Neeeeiiiiiin! Nein, ich bin gar kein
Rosahund, ich wollte doch nur ein Glückschwein werden. Ich wollte nur
wieder beachtet werden. Ich wollte nur wieder geliebt und gestreichelt
werden! Woher wollt Ihr wissen, dass ich aggressiv bin? Nur weil ich rein
zufällig rosa bin? Schaut mir doch in die Augen, Ihr Menschen! Ich bin
kein Rosahund! Ich bin doch der liebe „Lucky!” Doch sein herzzerreißende
Jaulen nützte „Lucky” gar nichts. Der junge Mann schob ihn mit einem
Tätscheln in einen freien Käfig. Danach schloss er die Tür mit den Worten:
”Tut mir leid, mein Junge, ich kann Dir leider nicht helfen. Die Gesetze
sind nun mal so! Die Politiker haben beschlossen, dass die Stadt von
Rosahunden befreit wird.
XIII.
Nun saß „Lucky” da in seinem neuen Domizil. Er hatte sich an die
Zwinger-Stäbe gequetscht und schaute in das gleißende Licht der
künstlichen Beleuchtung. Von hier aus konnte er weder das Blau des Himmels
noch das Grün der Natur, das er so sehr liebte, sehen. In seinem neuen
„Zuhause” gab es nur eine Holzpalette. Vergeblich suchte er eine weiche
Decke, wie sie ihm Mama immer in sein Körbchen gelegt hatte. Auch ein
Bällchen fand er nicht. Müde, verzweifelt und immer noch hungrig, denn für
die morgendliche Fütterung war er zu spät eingeliefert worden, rollte er
sich in einer Ecke seines Käfigs zusammen. Er wollte nur noch eines, ganz
schnell einschlafen, um dem nagenden Gefühl von Hunger und Einsamkeit zu
entfliehen. In seinem Traum sah er seinen Freund Tim auf ihn zulaufen. Die
Freude war riesengroß. Endlich, endlich wieder beisammen. Er sprang an dem
Jungen hoch und der nahm ihn ganz fest in die Arme. Von hinten aus dem
Nebel heraus tauchte dann auch Mama auf mit einem ganzen Teller duftender
Würstchen. Nachdem er sich den Bauch damit vollgeschlagen hatte, hörte er
von irgendwo her die vertraute Stimme von Papa: ”Na, „Lucky”, sollen wir
jetzt im Garten mit dem Bällchen spielen?” „Lucky” drehte sich mehrmals um
sich selbst, weil er nicht erkennen konnte, woher die Stimme kam. Er hatte
„seinen” Papa schon so lange Zeit nicht mehr gesehen! Als er hörte: ”Na
komm doch mal her!”, vernahm er das Klappern einer Tür. Während er langsam
wach wurde und in das künstliche Licht blinzelte, musste „Lucky” jedoch
erkennen, dass es sich hierbei nicht um die Terrassentür handelte sondern
um die Zwingertür seines Käfigs. Vor ihm stand der junge Mann und ein
älterer mit einer Brille auf der Nase. Er wusste nicht, wer das ist, aber
den Geruch kannte er von den jährlichen Impfterminen beim Tierarzt.
XIV.
Der Brillenmensch hatte ihn genau untersucht, auch das Halsband, auf dem
sein Name u. die Telefon-Nr. standen. Für sein Fell hatte er sich
ebenfalls interessiert. Er hatte seinen Körper abgetastet und dabei
gestutzt. Dann hatte er den rosé-farbenen Wollstoff hochgehoben und
darunter gefühlt. Er nahm sein Blatt zur Hand, schob seine Brille zurecht
und zog die Stirn kraus. Lange beugte er sich so über die Seite, bis ein
Ruck durch ihn hindurch ging und während er vor sich hin murmelte:” Sicher
ist sicher....man weiß ja nie!”, notierte er: lfd. Nr. der Liste: 487
Chip-Nr. des Hundes: bei Aufnahme keine Name des Hundes: „Lucky” zu
vermitteln als: Kat.1 geschätztes Geburtsjahr: ca. 1997 Rasse: Rosahund
(?) Geschlecht: m Aufnahme Halle am: 20.08. Was „Lucky” nicht wusste:
Dieser Ruck, der da durch den Brillenmenschen hindurch gegangen war,
sollte sein ganzes weiteres Leben entscheiden.
XV.
Wortlos verließ der Bebrillte den Käfig und der junge Mann verriegelte die
Tür hinter ihm. Er blickte „Lucky” freundlich an und sagte zu ihm: ”Leider
kann ich Dir nicht helfen, die Gesetze sind nun mal so. Aber Kopf hoch,
mein Junge, es wird schon werden!” Dadurch schöpfte „Lucky” wieder ein
wenig Hoffnung. „Wenn mein neuer Freund das sagt, wird es sicher stimmen”,
dachte er. Warum sollte er ihn auch anlügen, wo er doch immer ein
freundliches Wort für ihn hatte. So verging ein Tag nach dem anderen. Es
war immer der gleiche Lärm durch das Gebell der unglücklichen Hunde. Es
war immer das gleiche künstliche Licht. „Lucky” hatte im Laufe der vielen
Wochen und Monate schon fast vergessen wie schön das Licht der Morgensonne
sich in den Tautropfen der Gräser spiegelte. Er träumte oft davon, eines
Tages wieder mit seiner Familie durch den Garten zu hüpfen und er wünschte
sich nichts sehnlicher als bei ihnen und mit ihnen zusammen glücklich zu
sein. Doch jedes Mal wachte er irgendwann wieder auf und war immer noch in
dieser schrecklichen Halle.
XVI.
Inzwischen hatte man ihn auch einem Wesenstest unterzogen. Dazu wurde er
von anderen Hunden und auch von Menschen bedroht. Er sollte an einem
Kinderwagen mit schmutziger Windel vorbeigehen, aus dem ein von einem
Gerät für Hundeohren völlig verzerrtes Babygeschrei kam. Man spannte einen
Regenschirm in nächster Nähe vor ihm au und viele verwunderliche Dinge
mehr.. Doch „Lucky” ließ alles gelassen über sich ergehen. Oftmals schien
es so, als sei er schon gar nicht mehr hier. Obwohl er den Wesenstest
bestens bestanden hatte, wurde er wieder in seinen Käfig in der Halle
gesperrt. Was „Lucky” nicht wusste und was ihn hätte endgültig verzweifeln
lassen. Er konnte nie wieder zu seiner Familie zurück. Man hatte „seine”
Mama und seinen Freund Tim für unzuverlässig erklärt, weil sie nicht gut
genug auf ihn aufgepasst hatten, da er „ausbrechen” konnte. So saß er
wieder für eine lange Zeit in seiner Zelle und träumte sich so oft es eben
ging in eine bessere Welt. Das jedoch gelang ihm immer seltener. Er konnte
sich kaum noch an Mama und Tim erinnern. Er war mutlos, einsam.......
XVII.
Eines Tages wachte er auf. Irgend etwas war heute anders! Das Bellen der
Rosahunde war aufgeregter als sonst! In der Luft lag eine seltsame
Spannung. Der junge Mann und der Brillenmensch gingen langsam durch die
Reihen und schauten sich die Hunde aufmerksam an. Zu jedem Hund wurde ein
Buchstabe notiert. Entweder ein „V” oder ein „E”. Bei „Lucky” angekommen,
sagte der Bebrillte: ”Tja, an sich sieht der ja noch ganz ordentlich aus!
Keine Leckekzeme - und entzündete Augen hat er auch nicht!. Aber dieser
Stummelschwanz! Coupierte Schwänze sind eben nicht mehr gefragt. Auch wenn
der Hund den Wesenstest ohne Abstriche bestanden hat, aber die Leute
halten Hunde mit abgeschnittenen Schwänzen für noch viel gefährlicher. Den
kriegen wir nicht vermittelt!” Zu dem jungen Mann gewandt sagte er:
”Notieren sie ein „E”!. Damit war die Begutachtung zu Ende und „Lucky´s”
Leben auch. Am nächsten Tag wurde er mit mehreren anderen Hunde abgeholt.
Als er auf dem Tisch lag und die Injektion in seiner Vene spürte, leckte
er dem Bebrillten die Hand.......... ......während er sich mit Papa, Mama
und seinem Freund Tim in dem feuchten Gras liegen sah, in dessen
Tautropfen sich das Licht der Morgensonne spiegelte.
(Sigrid
Bojert)
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